Kraftfahrzeuge mutieren immer mehr zu Computern auf Rädern. Waren es früher vor allem mechanische Weiterentwicklungen, die die Sicherheit für die Insassen erhöhen sollten (z. B. Bremsen und Rückhaltegurte), so sind es heute verstärkt softwaretechnische Raffinessen. Zahlreiche Fahrassistenzsysteme sollen die Fahrer unterstützen und mögliche kleine Fehler eigenständig korrigieren. Ein bereits seit längerem beliebtes System ist der sogenannte Spurhalteassistent. Es gibt im Wesentlichen zwei Ausrichtungen, die die Funktion von einem Spurhalteassistent-Sytem bestimmen: eine aktive und eine passive. Doch wo genau liegt der Unterschied?
FAQ: Spurhalteassistent
In der Regel ist ein Spurhaltesystem an eine Kamera (zumindest in der Windschutzscheibe verbaut) gekoppelt. Diese erfasst die vor dem Fahrzeug liegenden Fahrbahnmarkierungen. Das angebundene System wertet die optischen Informationen aus und kann bei Verlassen der Spur (sofern kein Spurwechsel angezeigt oder erwartbar ist) entsprechend reagieren. Zu unterscheiden ist dabei zwischen aktiven und passiven Systemen. Mehr dazu lesen Sie hier.
Welche Umstände die Funktion des Assistenzsystems einschränken können, erfahren Sie hier.
Noch ist er nicht in allen Neufahrzeugen vorgeschrieben. Ab wann die Hersteller zur Verbauung eines aktiven Spurhalteassistenten verpflichtet sind, lesen Sie hier.
Aktiver Spurhalteassistent vs Spurverlassenswarnung
Inhalt
Beim passiven Spurhalteassistenten handelt es sich im Grunde eher um ein Warnsystem: Verlässt der Fahrer die Spur, kann das System eine entsprechenden Warnhinweis ausgeben (z. B. über ein akustisches Signal). Einige Hersteller integrieren dieses in eine Dashcam. Der Spurhalteassistent oder -warner orientiert sich dabei dann an optischen Eingaben (insbesondere den Fahrbahnmarkierungen).
Der aktive Spurhalteassistent (manchmal auch als “Lane Assist” bezeichnet) hingegen greift selbst in das Lenkgeschehen ein, sollte das Fahrzeug die Spur verlassen. Er dient mithin nicht nur der reinen Warnung des Fahrers, sondern fungiert als Lenkassistent. Auch bei diesem kommen optische Systeme zum Einsatz: Über eine Videokamera kann das System die Fahrspurmarkierungen erfassen. Unterschreitet das Fahrzeug einen zuvor definierten Mindestabstand zu den Markierungen, kann das System zunächst eine Warnung ausstoßen (z. B. durch Piepen oder Rattergeräusche).
Reagiert der Fahrer erkennbar nicht, greift der aktive Spurhalteassistent sanft ein – entweder durch Gegenlenken (Fahrzeuge mit elektrischer Servolenkung) oder indirekt über das elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) durch gesteuertes Abbremsen einzelner Räder (Fahrzeuge ohne elektrische Servolenkung). Ein aktiver Spurhalteassistent bei einem Lkw arbeitet über das hydraulische Lenksystem. Der Fahrer kann dem jedoch jederzeit entgegenwirken, da die vom System ausgeübte Kraft sehr gering ist.
Der Fahrer muss jedoch, damit der Spurhalteassistent funktioniert und aktiv wird, die Hände am Lenkrad haben (Hands-on-Detection). Nur so kann er im Zweifel mögliche Fehler des Systems (etwa bei vergessener Blinkersetzung) korrigieren.
Was ist ein adaptiver Spurhalteassistent? Einige Hersteller bieten bei ihren Fahrzeugen eine sogenannte “adaptive Spurführung” an. Bei dieser kann über eine zusätzliche Einstellung der Spurhalteassistent – aktives Einstellen der erweiterten Funktion in der Regel erforderlich – eine permanent aktive Lenkunterstützung bieten. Er greift damit nicht nur ein, wenn Anzeichen für das Verlassen der Fahrspur vorhanden sind, sondern soll das Fahrzeug dauerhaft mittig in der Fahrspur halten. Allerdings klappt das nicht immer und überall reibungslos (etwa in scharfen Kurven), weshalb es lediglich als Unterstützung dienen kann, ein autonomes Fahren oder Lenken aber nicht möglich macht.
Eingeschränkte Funktion: Spurhalteassistent ist kein Allheilmittel
Ein Spurhalteassistent kann seine Funktion nur unter bestimmten Voraussetzungen erfüllen. Bestimmte Straßenbeschaffenheiten können ihn in seiner Funktionsweise einschränken. Dazu gehören insbesondere:
- verschmutzte Fahrbahnen (bei denen die Fahrbahnmarkierungen nicht mehr erkennbar sind)
- fehlende Fahrbahnmarkierungen (gerade auf älteren Verkehrswegen, Landstraßen und auf Nebenstraßen können solche fehlen)
In scharfen Kurven kann zudem die Auswirkung der Gegenlenkung zu gering ausfallen, um die Spur tatsächlich halten zu können. Die Krafteinwirkung auf das Lenksystem ist einfach nicht stark genug, um dem Fahrer das Lenken gänzlich abzunehmen.
Ist der Spurhalteassistent bei Autos Pflicht? Bislang sind Hersteller noch nicht verpflichtet, serienmäßig Autos mit Spurhalteassistent auszustatten. Jedoch gilt ab 2022 innerhalb der EU bei der Neuentwicklung von Fahrzeugen die Pflicht, neben anderen Assistenzsystemen auch einen aktiven Spurhalteassistenten einzubauen. Ab 2024 sollen alle neuen Autos mit Spurhalteassistent ausgerüstet sein.
Lässt sich ein Spurhalteassistent nachrüsten?
In älteren Fahrzeugen lässt sich ein solches Assistenzsystem nur bedingt nachrüsten. Ein Spurhalteassistent der per Kamera die Fahrbahnmarkierungen erfasst, kann z. B. in Dashcams integriert sein. Die Systeme funktionieren jedoch nur passiv. Ein aktiver Spurhalteassistent, der in die Lenkung des Fahrzeugs eingreift, kann in aller Regel nicht nachträglich im Fahrzeug integriert werden oder nur mit umfassenden Maßnahmen. Es sind viele technische und softwaretechnische Anpassungen erforderlich.
Es findet sich auch die eine oder andere Spurhalteassistent-App für Smartphones auf dem Markt. Deren Wirksamkeit sieht allerdings u. a. der TÜV SÜD kritisch. Zwar könnten die Kameras der Handys zwar ausreichen, doch bei der Rechenleistung des Handys kann schnell die Grenze gefunden sein. Außerdem können eingehende Anrufe, Nachrichten und andere Nebenaktivitäten des Handys die Wirksamkeit weiter einschränken.
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