Führerschein-Wohnsitzprinzip in Deutschland und der EU

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Das Wohnsitzprinzip regelt beim Führerschein aus Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, unter welchen Bedingungen eine EU-Fahrerlaubnis erteilt wird und ob diese Fahrerlaubnis von anderen EU-Staaten anerkannt wird. In aller Regel ist ein EU-Führerschein, der mit Wohnsitz in Deutschland erworben wurde, nicht nur im Ausstellungsland gültig, sondern auch in der gesamten EU. Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen gibt es?

FAQ: Wohnsitzprinzip beim Führerschein

Wie lange muss ich in einem EU-Land wohnen, um dort einen EU-Führerschein erhalten zu können?

Sie müssen sich mindestens 185 Tage eines Jahres in dem entsprechenden Land aufhalten, um einen Führerschein beantragen zu können.

Welchen Zweck verfolgt das Wohnsitzprinzip beim Führerschein?

Das Prinzip soll den Neuerwerb eines Führerscheins in einem anderen EU-Land erschweren und damit dem Führerscheintourismus vorbeugen.

Kann ich den Führerschein bei jeder Führerscheinbehörde in Deutschland beantragen?

Nein. Sie können den Führerschein nur bei der Behörde beantragen, die für die Gemeinde zuständig ist, in der Sie wohnen.

185-Tage-Regelung: EU-Führerschein gemäß Wohnsitzprinzip

Beim Führerschein meint das Wohnsitzprinzip nicht, dass die Gültigkeit auf das Ausstellungsland beschränkt ist. Der EU-Führerschein ist EU-weit auch im Urlaub gültig.
Beim Führerschein meint das Wohnsitzprinzip nicht, dass die Gültigkeit auf das Ausstellungsland beschränkt ist. Der EU-Führerschein ist EU-weit auch im Urlaub gültig.

Um einen vollumfänglich gültigen EU-Führerschein gemäß der 185-Tage-Regelung zu erhalten, bedarf es eines Wohnsitzes in dem Mitgliedsstaat, in dem die Fahrerlaubnisprüfung abgelegt werden soll – und zwar für mindestens sechs Monate (= 185 Tage).

Den Führerschein zu machen, ohne einen Wohnsitz in Deutschland zu haben, ist möglich, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.
Den Führerschein zu machen, ohne einen Wohnsitz in Deutschland zu haben, ist möglich, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.

Dabei ist es für das Führerschein-Wohnsitzprinzip nicht ausreichend, dass vor dem Erwerb vom Führerschein ein Zweitwohnsitz bestanden hat. Es muss sich um einen ständigen Hauptwohnsitz handeln. Außerdem entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Urteil von 2016 (Az. C-419/10) betreffend der Anerkennung in anderen Mitgliedsstaaten, dass

  • keine Sperrfrist aktiv sein darf und
  • die nationalen Verordnungen im jeweiligen Ausstellungsland erfüllt sein müssen.

Ein Führerschein, der ohne Wohnsitz in Deutschland, aber unter Beachtung der 185-Tage-Regelung im EU-Ausland erworben wurde, ist demzufolge auch in Deutschland und anderen EU-Staaten vollumfänglich gültig.

Mit dem Führerschein-Wohnsitzprinzip soll vor allem der sogenannte Führerscheintourismus eingedämmt werden. Der Neuerwerb eines Führerscheins in einem anderen EU-Land ist so nun deutlich erschwert, sodass das Umgehen einer MPU kaum noch realistisch ist.

Führerschein ohne festen Wohnsitz

Die Zuständigkeiten von Behörden richten sich in Deutschland in der Regel nach dem Wohnsitz. Wer in Berlin lebt, für den sind in aller Regel auch die Berliner Ämter zuständig, für Kölner die kölnischen Behörden usw. Es kann daher sehr problematisch und anstrengend sein, einen Führerschein entgegen dem Wohnsitzprinzip zu beantragen.

Handelt es sich um einen Neuerwerb, kann dieses Unterfangen sogar unmöglich sein, ebenso wie es in der Regel nicht zulässig ist, den Führerschein nicht am Wohnsitz zu machen (also bspw. in Frankreich, obwohl der Hauptwohnsitz in Deutschland liegt). Doch auch die Verlängerung der Führerscheindokumente kann kompliziert sein.

Ein EU-Führerschein mit einem Wohnsitz im Nicht-EU-Ausland zu erhalten, ist in der Regel nicht möglich.
Ein EU-Führerschein mit einem Wohnsitz im Nicht-EU-Ausland zu erhalten, ist in der Regel nicht möglich.

Wer sich zum Beispiel in Deutschland abgemeldet hat, um in der ganzen Welt auf Reisen zu gehen, braucht unter Umständen einen neuen nationalen oder internationalen Führerschein, weil der alte bald seine Gültigkeit verliert. Es gibt verschiedene Möglichkeiten abseits vom Führerschein-Wohnsitzprinzip:

  • Fester Wohnsitz im Ausland: Dann ist meist die deutsche Auslandsvertretung vor Ort (Konsularabteilung der Botschaft oder Konsulat) zuständig.
  • Kein fester Wohnsitz: In diesem Fall wäre es z. B. möglich, sich kurzzeitig in Deutschland wieder zu melden, die Dokumente zu beantragen und sich dann wieder abzumelden. Wer nicht in Deutschland weilt, kann auch aus der Ferne einen neuen Führerschein beantragen und sie sich zu einer beliebigen Auslandsvertretung zuschicken lassen. Prinzipiell ist jede Führerscheinstelle zuständig. Am besten wenden Betroffene sich jedoch an die Behörde, die den Führerschein gemäß Wohnsitzprinzip ausgestellt hat oder an jene, bei der der letzte ordentliche Wohnsitz in Deutschland bestanden hat.

Über den Autor

Dr. Philipp Hammerich (Rechtsanwalt)
Dr. Philipp Hammerich

Dr. Philipp Hammerich studierte an der Universtät Hamburg und absolvierte sein Referendariat am OLG Hamburg. Er promovierte beim damaligen Richter am BVerfG, Prof. Dr. Hoffmann-Riem. Zugelassen als Rechtsanwalt ist er seit 2007. Seine thematischen Schwerpunkte liegen u. a. in den Bereichen Straf-, Zivilrecht.

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