Unabsichtliche Fahrerflucht: Nicht bemerkt, dass es zu einem Unfall kam?

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Wer einen Unfall verursacht und sich einfach so entfernt, dem drohen hierzulande strenge Sanktionen – Fahrerflucht stellt bekanntlich eine schwere Rechtsverletzung da. Aber wie verhält es sich, wenn es zu einer „unfreiwilligen“ Fahrerflucht kommt – weil nicht bemerkt wurde, dass ein Unfall überhaupt stattfand?

FAQ: Fahrerflucht nicht bemerkt

Kann eine Fahrerflucht vorliegen, wenn der Schaden nicht bemerkt wurde?

Grundsätzlich ist Fahrerflucht eine Straftat, bei der Vorsatz gegeben sein muss. Können Sie nachweisen, dass Sie den Schaden nicht bemerken konnten, kann daher keine Strafe ausgesprochen werden.

Ist es überhaupt möglich, eine Kollision nicht zu merken?

Grundsätzlich kann das bei einem minimalen Auffahrunfall der Fall sein. Die Beweislast liegt in diesem Fall allerdings beim Geschädigten. Das Gutachten eines Sachverständigen kann oft klären, ob die Fahrerflucht wirklich nicht bemerkt worden sein kann.

Welche Strafe droht, wenn ich nicht nachweisen kann, dass ich die Fahrerflucht nicht bemerkt habe?

In diesem Fall droht das übliche Strafmaß für eine Fahrerflucht. Der Betroffene muss also mit einer Freiheits- oder Geldstrafe rechnen.

Der Tatbestand „Fahrerflucht“ beinhaltet Vorsatz

Was passiert, wenn jemand einfach weiterfährt und seine Unfallflucht nicht bemerkt?
Was passiert, wenn jemand einfach weiterfährt und seine Unfallflucht nicht bemerkt?


Nicht jeder Autounfall muss automatisch zu einem Totalschaden führen. Tagtäglich kommt es wohl zu Hunderten von kleinen Unfällen: Da eine Delle, dort eine Schramme – nicht verwunderlich also, dass ein Fahrer einen Unfall auch mal nicht bemerkt und Fahrerflucht begeht. Sollte dann nach einiger Zeit ein Schreiben ins Haus flattern, ist die Überraschung denkbar groß. Aber wie ist die Rechtslage in solch einem Szenario?

Hier hilft ein Blick in den entsprechenden Gesetzestext: Im Strafgesetzbuch (StGB) heißt es im § 142 Absatz 5 „Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“:

Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.

Laut dieser einzelnen Aussage gilt jemand, der die eigene Fahrerflucht nicht bemerkt hat, theoretisch als Unfallbeteiligter – dennoch handelt es sich bei Fahrerflucht um ein sogenanntes Vorsatzdelikt.

Eine Fahrerflucht ohne Vorsatz kann juristisch eine komplizierte Sache darstellen
Eine Fahrerflucht ohne Vorsatz kann juristisch eine komplizierte Sache darstellen

Das bedeutet: Die Straftat wurde wissentlich und willentlich, mit Inkaufnahme aller möglichen Konsequenzen, ausgeübt. Eine unbemerkte Fahrerflucht, d.h. ohne Vorsatz, dürfte also theoretisch nicht derart sanktioniert werden.

Genau da liegt der Knackpunkt: Wünscht das Unfallopfer eine strafrechtliche Verfolgung der Fahrerflucht und der Unfall wurde nicht vom Unfallverursacher bemerkt, kann dieser eigentlich nicht für eine Fahrerflucht nach StGB bestraft werden, da ein Vorsatz nicht nachgewiesen werden kann. Wiederum bedeutet das nicht, dass Unfallflüchtige sprichwörtlich „fein raus sind“, indem sie einfach eine Kenntnis leugnen.

Angebliche oder tatsächliche Fahrerflucht?

Gerade bei einem verhältnismäßig großem Schaden sollte der Angeschuldigte hinreichend und plausibel vortragen können, warum er die eigene Fahrerflucht nicht bemerkt hat. Der Ankläger sollte darlegen können, dass die etwaige Fahrerflucht samt Unfall unbemerkt nicht vonstatten gehen konnte.

Dabei können im konkreten Einzelfall unterschiedliche Konstellationen zu solch einer Gegenüberstellung von Aussagen führen. In der Regel handelt es sich jedoch um geringe äußere Schäden an der Karosserie. So ist es denkbar unglaubwürdig, wenn jemand einem anderen die Stoßstange abfährt und dann behauptet, dies übersehen zu haben. Hingegen ist eine unabsichtliche Fahrerflucht bei einem Bagatellschaden, der nicht bemerkt wurde, wahrscheinlicher.

Der Begriff „Bagatellschaden“ wird grundsätzlich dann verwendet, wenn sich Verkehrsunfallschäden auf oberflächliche Kratzer, Dellen und Beulen beschränken. Weiterhin wird durch einen Bagatellschaden die Funktionstüchtigkeit des Wagens nicht beeinträchtigt und auch der mögliche Wertverlust ist eher gering.
In vielen Fällen handelt es sich um unfreiwillige Fahrerflucht, weil ein Bagatellschaden nicht bemerkt wurde
In vielen Fällen handelt es sich um unfreiwillige Fahrerflucht, weil ein Bagatellschaden nicht bemerkt wurde

Abgesehen davon sind die fallindividuellen Umstände ausschlaggebend. Dass eine Person die eigene Fahrerflucht nicht bemerkt hat, kann manchmal weder eindeutig belegt noch widerlegt werden.

Zur Veranschaulichung: Angenommen, es kommt zu einem Rangierunfall in einem Parkhaus. Nach eigenen Angaben hat der Unfallverursacher das andere Auto zwar angefahren, dies aber nicht bemerkt, weil er laute Musik hörte und der Aufprall nicht besonders nennenswert war. Wird nun aber auf den Aufnahmen einer Überwachungskamera sichtbar, dass der Angeschuldigte nach dem Zusammenstoß anhielt, aus dem Wagen stieg und das andere Fahrzeug inspizierte, kann dessen Aussage eindeutig angezweifelt werden.

Es ist durchaus möglich, dass ein Sachverständigter zur Klärung beauftragt wird. Dieser erstellt dann in der Regel ein Gutachten, aus welchem hervorgehen soll, ob der jeweilige Unfall tatsächlich übersehen werden konnte. Würde etwa ermittelt werden, dass der Unfall ein deutlich hörbares Geräusch verursacht hat, dann kann dies belastend für den angeklagten Fahrer werden.

Versehentlich unfallflüchtig – kann das begründet werden?

Hat ein Fahrer also die eigene Fahrerflucht nicht bemerkt, dann kann dessen Unschuld aus unterschiedlichen Gründen angezweifelt werden – selbst wenn es sich um einen vergleichsweise geringen Schaden handelt.

Missbrauchsmöglichkeiten

Die eigene Verkehrsunfallflucht angeblich nicht bemerkt zu haben, ist nicht ausgeschlossen – dabei kann es sich jedoch auch um eine billige Ausrede handeln, um Strafen zu entgehen. Die Unterstellung einer Schutzbehauptung liegt da natürlich nah.

Allgemeine Sorgfaltspflicht beim Autofahren

Haben Sie eine unbemerkte Fahrerflucht begangen, sollten Sie einen Anwalt konsultieren
Haben Sie eine unbemerkte Fahrerflucht begangen, sollten Sie einen Anwalt konsultieren

Autofahrer sind grundsätzlich dazu angehalten, vorausschauend zu fahren.

Wer einen Unfall und die eigene Fahrerflucht nicht bemerkt, der räumt gewissermaßen seine mangelhaften Eigenschaften als Fahrer ein. Schließlich könnten dem oder der Betroffenen mangelnde Aufmerksamkeit und fehlende Umsichtigkeit angelastet werden.

Ein objektiver Tatbestand ist leichter nachzuweisen als ein subjektiver Sachbestand

Zunächst einmal zu den Begriffen: Mit dem objektiven Tatbestand wird, vereinfacht gesprochen, die Tat als solche juristisch beschrieben. In den hier betrachteten Fällen wäre das ein Unfall mit Fahrerflucht. Daneben wird noch vom subjektiven Tatbestand gesprochen, welche die innere Einstellung des Täters bzw. der Täterin in Bezug auf die Tat beschreibt. Wurde also nach eigenen Angaben die Unfallflucht nicht bemerkt, stehen sich der objektive und der subjektive Tatbestand teilweise widersprüchlich gegenüber.

Während ein objektiver Tatbestand, rein logisch betrachtet, natürlich eindeutig belegt werden kann, ist dies bei einem subjektiven Tatbestand erschwert.

Haben Sie einen Unfall und Ihre dazugehörige Fahrerflucht nicht bemerkt und es kommt zu einem Verfahren, dann sollten Sie dies nicht auf die leichte Schulter nehmen – lassen Sie sich durch einen Anwalt für Verkehrsrecht beraten.

Über den Autor

Dr. Philipp Hammerich (Rechtsanwalt)
Dr. Philipp Hammerich

Dr. Philipp Hammerich studierte an der Universtät Hamburg und absolvierte sein Referendariat am OLG Hamburg. Er promovierte beim damaligen Richter am BVerfG, Prof. Dr. Hoffmann-Riem. Zugelassen als Rechtsanwalt ist er seit 2007. Seine thematischen Schwerpunkte liegen u. a. in den Bereichen Straf-, Zivilrecht.

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