EU: Das Vollstreckungsabkommen ist länderübergreifend gültig

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Die Vollstreckung ausländischer Bußgelder ist in Deutschland unter Umständen einfacher möglich, als es Urlauber vermuten. Grund dafür ist der Rahmenbeschluss 2005/214/JI der Europäischen Union, umgangssprachlich auch als EU-Vollstreckungsabkommen bezeichnet. Verkehrsverstöße im Urlaub können also auch zu Hause für bleibende Erinnerungen sorgen.

FAQ: EU-Vollstreckungsabkommen

Ist der EU-Rahmenbeschluss zur Vollstreckung in ganz Europa gültig?

Nein, die Vorschriften des Beschlusses wurden nur in den EU-Mitgliedsstaaten, mit Ausnahme von Griechenland, in nationales Recht umgesetzt, sodass die Vollstreckung auch nur in diesen Ländern erfolgen kann.

Können alle verhängten Sanktionen aufgrund des Beschlusses vollstreckt werden?

Nein, das Vollstreckungsabkommen bezieht sich nur auf Bußgelder oder Geldstrafen. Andere Sanktionen wie Fahrverbote oder Punkte sind davon nicht betroffen und nur im jeweiligen Land gültig.

Können betroffene Fahrer Rechtsmittel gegen ausländische Bußgeldbescheid einlegen?

Ja, unter bestimmten Umständen ermöglicht das Vollstreckungsabkommen einen Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid aus dem Ausland. Mehr dazu erfahren Sie hier.

EU-Rahmenbeschluss 2005/214/JI: Welche Bedeutung hat er?

Das EU-Vollstreckungsabkommen bildet die rechtliche Grundlage für die Vollstreckung von ausländischen Bußgelder in Deutschland.
Das EU-Vollstreckungsabkommen bildet die rechtliche Grundlage für die Vollstreckung von ausländischen Bußgelder in Deutschland.

Der vollständige Titel des Beschlusses macht deutlich, worum es eigentlich geht, denn der „EU-Rahmenbeschlusses über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen“ bildet, wie bereits erwähnt, die rechtliche Grundlage für die Vollstreckung ausländischer Bußgeldbescheide in Deutschland.

Wichtig ist, dass das EU-Vollstreckungsabkommen nur auf Bußgelder bzw. Geldsanktionen anwendbar ist, die innerhalb der Europäischen Union verhängt wurden. Auf Sanktionen aus den USA oder Australien beispielweise hat das Abkommen keinen Einfluss, sodass diese in Deutschland nicht vollstreckt werden können. Der Beschluss stellt also ein sogenanntes Rechts- und Amtshilfeabkommen dar, welches es ausländischen Behörden ermöglicht, Bußgelder sowie Geldstrafen einzufordern.

Das EU-Vollstreckungsabkommen kann sowohl bei Ordnungswidrigkeiten als auch bei Straftaten zur Anwendung kommen. Die Grenze, ab der Geldsanktionen vollstreckt werden können, ist auf 70 Euro festgelegt. Dies bezieht jegliche Verwaltungsgebühren und Verfahrenskosten mit ein. Liegt ein Bußgeld an sich unter der Grenze, können die Gebühren dafür sorgen, dass diese überschritten wird. Die Sanktion wird somit vollstreckbar. Zu den Verstößen, die im EU-Vollstreckungsabkommen vereinbart sind, gehören unter anderem auch Missachtungen der geltenden Verkehrsregeln sowie Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten. Allerdings bezieht sich die Vollstreckbarkeit nur auf Geldsanktionen, andere Maßnahmen wie Fahrverbote oder Eintragungen in einem Register werden nicht übernommen.

Das EU-Vollstreckungsabkommen trat im Mai 2005 in Kraft und wurde im Oktober 2010 in Deutschland in nationales Recht umgesetzt. Unbeeinflusst davon bleibt das bereits bestehende Abkommen zwischen Österreich und Deutschland, welches es weiterhin erlaubt, Bußgelder ab 25 Euro in den jeweiligen Ländern einzufordern.

Umsetzung in Deutschland

Geldbußen können nur dann nach dem EU-Vollstreckungsabkommen eingezogen werden, wenn der Bußgeldbescheid rechtskräftig ist.
Geldbußen können nur dann nach dem EU-Vollstreckungsabkommen eingezogen werden, wenn der Bußgeldbescheid rechtskräftig ist.

Damit Geldsanktionen gemäß dem EU-Vollstreckungsabkommen in Deutschland eingezogen werden können, muss der Bußgeldbescheid rechtskräftig und das Verfahren abgeschlossen sein. Ist dies der Fall, können die ausländischen Behörden beim Bundesamt für Justiz (BfJ) einen Antrag stellen und Amtshilfe einfordern.

Erfolgt ein solches Ersuchen nicht, kann eine Vollstreckung über das BfJ nicht stattfinden. Allerdings sollten Urlauber einen Bußgeldbescheid dennoch nicht ignorieren, denn die Verjährung in Bezug auf die Vollstreckung vor Ort, setzt in vielen Ländern oftmals deutlich später ein als in Deutschland. Das kann bei einem weiteren Urlaub innerhalb der Verjährungsfrist zu Problemen führen.

Geht ein Antrag beim BfJ ein, prüft dieses den Bußgeldbescheid auf seine Rechtmäßigkeit. Das heißt in diesem Fall, dass die Voraussetzungen für eine Vollstreckung bestehen müssen, damit das EU-Vollstreckungsabkommen zur Anwendung kommt. Dabei wird geprüft, ob die Bagatellgrenze überschritten wird und es sich um Verstöße handelt, die laut Rahmenbeschluss auch vollstreckt werden können.

Besteht kein Hindernis, das einer Bewilligung des Antrags im Weg stehen würde, vollstreckt das BfJ die ausstehende Sanktion. Der Betrag wird allerdings nicht an die ausländischen Behörden übermittelt, sondern geht an die Staatskasse der Bundesrepublik. Im Vordergrund steht also eher die Erziehungsmaßnahme für den Autofahrer und weniger die Einnahme der Summen.

Sind Rechtsmittel möglich?

In vielen Ländern der Europäischen Union besteht die sogenannte Halterhaftung, dem ist in Deutschland nicht so. Hier wird nur der Fahrer, der den Verstoß auch begangen hat, zur Rechenschaft gezogen. Daher kann die Halterhaftung ein Grund sein, dass das BfJ die Vollstreckung nicht bewilligt.

Ist dies jedoch geschehen, kann gegen den Bewilligungsbescheid beim BfJ Einspruch eingelegt werden. Auch gegen den ausländischen Bußgeldbescheid sind Rechtsmittel möglich. Dies muss gemäß dem EU-Vollstreckungsabkommen allerdings im jeweiligen Tatland bei den zuständigen Behörden in deren Landessprache erfolgen.

Weist der Bescheid Fehler auf, ist er beispielweise nicht übersetzt oder stimmen Daten nicht, kann das auch im Ausland einen Einspruch begründen. Wie dies zu tun ist und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, kann für Laien schwierig zu verstehen sein. Es ist daher ratsam, sich von einem Anwalt beraten zu lassen.

Über den Autor

Mathias Voigt (Rechtsanwalt)
Mathias Voigt

Mathias Voigt studierte an der juristischen Faktultät in Rostock und ging anschließend für sein Referendariat nach Nordrhein-Westfalen. Seine anwaltliche Zulassung erhielt er 2013. Seine Interessensschwerpunkte liegen u. a. in den Bereichen Verkehrs- und Strafrecht.

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