In den letzten Monaten war in der nationalen Berichterstattung wiederholt von einem drohenden Diesel-Fahrverbot für ausgewählte Städte die Rede. Nicht nur besteht zum momentanen Zeitpunkt noch Unklarheit darüber, ob und wann diese kommen – vielen wissen zudem nicht, was eigentlich der konkrete Anlass dieser Diskussionen ist. Eine Übersicht.
FAQ: Diesel-Fahrverbot
Ein Diesel-Fahrverbot soll die Luftqualität in Innenstädten steigern und damit zur Reinhaltung der Luft beitragen. Mehr zur Entwicklung erfahren Sie hier.
Ein Diesel-Fahrverbot gibt es derzeit u. a. in Berlin, Darmstadt, Hamburg und Stuttgart. In weiteren Städten sind sie geplant oder im Gespräch.
Das Diesel-Fahrverbot gilt für Diesel-Pkw und Diesel-Lkw einer gewissen Euronorm. Welche Fahrzeuge betroffen sind, können die Städte und Kommunen selbst festlegen.
Vorweg: Stickstoffdioxid – warum das Gas in aller Munde ist
Inhalt
- FAQ: Diesel-Fahrverbot
- Vorweg: Stickstoffdioxid – warum das Gas in aller Munde ist
- Fahrverbot für Dieselfahrzeuge: Die wichtigsten Ereignisse
- 11. Juni 2008: Die Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität und saubere Luft für Europa tritt in Kraft
- September 2015: VW gesteht den großflächigen Verbau von manipulierender Software
- Anfang 2018: EU droht Deutschland mit Klage wegen nicht eingehaltener Grenzwerte
- 27.02.2018: Das Bundesverwaltungsgericht verkündet in einem Urteil: Betroffene Städte können ein Diesel-Fahrverbot aussprechen, unabhängig von nationalen Bestimmungen
- Zusammengefasst: Welche Ausmaße ein Fahrverbot für Diesel hätte
Wer über das Diesel-Fahrverbot spricht, der kommt nicht um Stickstoffdioxid herum. Das Stoffgemisch ist der Hauptgrund der Debatten – deshalb zunächst einige Erläuterungen:
Stickstoffdioxid oder NO2 ist ein Reizgas, welches vor allem bei der Verbrennung von Energiequellen (wie Kohle und Öl) freigesetzt wird. Es zählt zur Übergruppe der Stickoxide (NOx). Nicht nur ist das Gasgemisch korrosiv (zersetzend), sondern vor allem giftig. Obwohl es in geringen Mengen nicht vom Menschen wahrgenommen wird, führt es direkt zu Reizwirkungen der Schleimhäute in Augen und Lungen.
Die Langzeitfolgen von Stickoxiden für die menschliche Gesundheit sind noch nicht zu hundert Prozent gesichert. Allgemein hat eine hohe Stickoxidbelastung jedoch starke Schädigungen der Umwelt zu Folge, so etwa das Verkümmern von Pflanzen oder das Übersäuern von Böden.
Ein Diesel-Fahrverbot hätte theoretisch einen direkten Einfluss auf die Stickoxidbelastungen – denn: bei den Verbrennungsprozessen in einem Dieselmotor gelangen verschiedene Stickoxide in die Atmosphäre. Vor allem alte Dieselmotoren stoßen sehr viele Stickoxide aus. In der Luft können diese sich mit Sauerstoff zu eben jenem Stickstoffdioxid verbinden.
Fahrverbot für Dieselfahrzeuge: Die wichtigsten Ereignisse
Das Diesel-Fahrverbot ist wohl eines der größten verkehrsrechtlichen „Aufreger-Themen“ der letzten Jahre. Dabei kommt dieses keineswegs überraschend, sondern ist vor allem die Folge von jahrelanger Überschreitung bekannter Grenzwerte.
11. Juni 2008: Die Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität und saubere Luft für Europa tritt in Kraft
Diese EU-einheitliche Luftqualitätsrichtlinie legt Grenzwerte u.a. für Blei, Feinstaub und auch Stickstoffoxide fest. Die Übersetzung in nationales Recht ist Ländersache. In den darauffolgenden Jahren überschreiten viele deutsche Kommunen die eigentlich einzuhaltende Höchstgrenze für Schadstoffbelastung konstant.
September 2015: VW gesteht den großflächigen Verbau von manipulierender Software
Diese erkennt, wenn sich der Wagen im Prüfmodus befindet, und verfälscht die Abgaswerte nach unten. Millionen von Fahrzeugen stoßen also erheblich mehr Schadstoffe aus, als dies durch Tests ermittelt wurde.
Schon Monate vorher brodelte es im Hintergrund, vor allen zwischen VW und der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency). Auch wenn über ein mögliches Diesel-Fahrverbot schon vor Publikwerden des Skandals diskutiert wurde, erhält die Maßnahme dadurch noch größeres Gewicht.
Die darauffolgenden Debatten sind zahlreich, und allerlei Maßnahmen erfolgen: Rückrufe, Sammelklagen, Software-Updates, Forderungen nach Umrüstungen und mehr – verschlagwortet unter dem „Abgas-Skandal“.
Anfang 2018: EU droht Deutschland mit Klage wegen nicht eingehaltener Grenzwerte
Die Bundesrepublik erhält mit einer offiziellen Klageandrohung scharfe Kritik aus Brüssel: Eine zu hohe Schadstoffbelastung in deutschen Städten missachte die festgelegten Richtwerte für saubere Luft. Ob Deutschland sich, nebst anderen Ländern, vor dem europäischen Gerichtshof rechtfertigen muss, ist zum momentanen Zeitpunkt (Stand: März 2018) noch nicht geklärt.
27.02.2018: Das Bundesverwaltungsgericht verkündet in einem Urteil: Betroffene Städte können ein Diesel-Fahrverbot aussprechen, unabhängig von nationalen Bestimmungen
Die Landesregierungen von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sind zuvor in Revision gegangen, da nach deren Einschätzung eine bundesweite Regelung für ein solches Fahrverbot vonnöten wäre. Das BVerwG entschied gegensätzlich und gab damit der Klage der Deutschen Umwelthilfe statt. Einzelne Bundesländer dürfen also zukünftig für betroffene Dieselfahrzeuge ein Fahrverbot aussprechen.
Zusammengefasst: Welche Ausmaße ein Fahrverbot für Diesel hätte
Der Begriff „Diesel-Fahrverbot“ kann etwas irreführend sein, da gemutmaßt werden könnte, dass sich künftig kein Diesel mehr auf deutschen Straßen bewegen dürfte. Dem ist jedoch nicht so – deshalb hier die wichtigsten Fakten:
Das Aussprechen eines solchen Verbotes ist dennoch an gesetzliche Auflagen geknüpft. Bei der Urteilverkündung mahnte das Bundesverwaltungsgericht zu „Verhältnismäßigkeit“ – anstatt pauschal allen betroffenen Dieselautos ein Fahrverbot aufzuerlegen, soll sich um eine Staffelung bemüht werden. Auch waren mögliche Ausnahmen, etwa für Handwerker, im Gespräch.
Ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge kommt nur in bestimmten Orten in Betracht. Auch wenn diese immer noch zahlreich sind: Nicht in allen deutschen Städten drohen Fahrverbote. Dieser Übersicht können Sie entnehmen, welche Städte die Grenzwerte mit großer Wahrscheinlichkeit überschreiten:
Aachen | Augsburg | Berlin | Darmstadt | Dortmund |
Düsseldorf | Essen | Frankfurt am Main | Freiburg im Breisgau | Gelsenkirchen |
Gießen | Hagen | Halle (Saale) | Hamburg | Hannover |
Heilbronn | Kiel | Köln | Leonberg | Leverkusen |
Limburg a.d. Lahn | Ludwigsburg | Ludwigshafen am Rhein | Mainz | Mannheim |
München | Nürnberg | Oberhausen | Oldenburg (Oldb) | Osnabrück |
Regensburg | Reutlingen | Solingen | Stuttgart | Tübingen |
Wiesbaden | Wuppertal |
Nicht jedes Dieselauto wäre von solch einem Diesel-Fahrverbot betroffen. Bestimmte Euro-Sechs-Diesel etwa könnten von der Regelung ausgenommen sein, da diese weniger Schadstoffe ausstoßen als vergleichbare Modelle.
Hauptsächlich geht es um Wagen mit der Norm Euro 4 und 5: Das Dieselfahrverbot ist für diese Fahrzeuge am wahrscheinlichsten.
Ein Diesel-Fahrverbot heißt nicht, dass der Wagen gar nicht mehr geführt werden darf. Es bedeutet, dass betroffene Wagen nicht mehr in Ballungsräumen mit zu hohen Schadstoff-Grenzwerten fahren dürfen. In Regionen, wo dies nicht der Fall ist, kann ein betroffenes Auto weiterhin benutzt werden. Ob tatsächlich ganze Stadtgebiete davon betroffen sind, steht auch noch zur Debatte. Denkbar wäre etwa auch, dass nur für Innenstädte, bestimmte Stadtteile oder Hauptverkehrsstraßen ein Fahrverbot gilt.
Die Folgen sind noch nicht abzusehen. Sicher ist, dass solch eine Maßnahmen den Staat einiges kosten: Administration, neue Beschilderungen und anderes.
Weiterhin kann nicht umfassend eingeschätzt werden, welche weiteren Nebenwirkungen solch ein Diesel-Fahrverbot im realen Alltag hat: Unternehmen, deren Zulieferer Dieselautos verwenden, könnten unter Lieferengpässen leiden. Abgesehen davon müssen Geschäfte in dieselfreien-Zonen mit Umsatzrückgängen rechnen. Wie gut die individuelle Infrastruktur vor Ort auf solche Veränderungen im Verkehrsfluss angepasst ist, gilt es ebenfalls zu klären.
Und nicht zuletzt kann solch ein Fahrverbot katastrophale Folgen für einzelne Verbraucher haben. In der Regel haben mittelständische Arbeitnehmer nicht einfach das Geld für einen neuen Wagen, und wenn dann der Arbeitsweg nicht mehr gefahren werden dürfte, ist das schnell existenzbedrohend. Hinzu kommt, dass zum momentanen Zeitpunkt von der viel diskutierten Umrüstung auf Kosten der Autohersteller nicht ausgegangen werden kann.