Was ein Abbiegeassistent im LKW bewirken könnte

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LKW-Fahrer müssen meist auf etliche Dinge gleichzeitig achten: genügend Abstand zum Vordermann, auf einer Kreuzung weit genug ausholen, um einlenken zu können und dabei niemanden zu gefährden, und nicht zuletzt auf Verkehrsteilnehmer achten, die sich nicht immer an die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung (StVO) halten. Ein Abbiegeassistent könnte den Fahrer zumindest bei einer dieser Aufgaben unterstützen.

FAQ: Abbiegeassistent

Was ist ein Abbiegeassistent?

Das Fahrerassistenzsystem soll den Fahrer beim Abbiegen unterstützen und ihn v. a. vor Personen warnen, die im toten Winkel verschwinden oder sich etwa vom Fahrer unbemerkt schnell nähern. Es gibt bereits vereinzelt Systeme, die den Fahrer nicht nur warnen, sondern auch selbst bremsen können.

Besteht für LKW die Pflicht, mit einem Abbiegeassistenten ausgestattet zu sein?

Ein Abbiegeassistent muss ab dem 01.07.2020 nur in LKW verpflichtend verbaut sein, die eine Überlänge aufweisen (Lang-LKW/Gigaliner) und demnach nur auf ausgewählten Straßen fahren dürfen, die jedes Bundesland gesondert ausweist. Mehr dazu lesen Sie hier.

Lässt sich ein Abbiegeassistent nachrüsten?

Ja, das System für LKW lässt sich durchaus in einer Werkstatt nachrüsten. Für Autos ist die Technik bislang noch nicht verfügbar.

Abbiegeassistenzsysteme können auf verschiedene Weise funktionieren

Der Abbiegeassistent hat die Funktion, den Fahrer beim Einlenken vor Personen zu warnen, die sich im toten Winkel befinden.
Der Abbiegeassistent hat die Funktion, den Fahrer beim Einlenken vor Personen zu warnen, die sich im toten Winkel befinden.

Der Abbiegeassistent gehört zu den Fahrerassistenzsystemen, die – wie der Name vermuten lässt – einen Autofahrer unterstützen sollen. Es gibt zahlreiche dieser technischen Begleiter wie beispielsweise:

  • die Einparkhilfe
  • den Tempomaten
  • den Spurhalteassistenten oder
  • den Notbremsassistenten.

Beim Abbiegeassistenten gibt es zudem verschiedene Varianten, wie dieser andere Verkehrsteilnehmer wahrnimmt. Ein Abbiegeassistent kann diese per:

  • Radar
  • Ultraschall
  • Kamera oder
  • Infrarotsensoren

registrieren. Je nach System erhält der Fahrer eine akustische und/oder eine optische Warnung, wenn sich z. B. ein Radfahrer im toten Winkel befindet. Einige Assistenten arbeiten lediglich mit einem Monitor, der zwar das Sichtfeld des Fahrers erweitert, ihn aber im Ernstfall nicht vor einer Kollision warnt.

In Kombination mit einem Notbremsassistenten könnte der Abbiege-Helfer Unfällen tatsächlich vorbeugen und den Verkehr somit vor allem für Fußgänger und Fahrradfahrer sicherer gestalten. Auf dem Markt gibt es bereits vereinzelt Systeme, die im Ernstfall autonom abbremsen können, statt den Fahrer lediglich vor einer Kollision zu warnen.

Für LKW-Fahrer ist es unter Umständen besonders schwierig, andere Verkehrsteilnehmer wahrzunehmen. Sie müssen sich beim Abbiegen auf viele Dinge gleichzeitig konzentrieren und befinden sich in ihrer Fahrerkabine zudem sehr viel höher als andere, die dadurch wortwörtlich „untergehen“ können.

Der Abbiegeassistent wird beim LKW (bedingt) zur Pflicht

Obwohl seit Jahren über die Einführung einer Pflicht für Abbiegeassistenten in Lastkraftwagen diskutiert wird, sieht das Bundesverkehrsministerium (BMVI) unter Andreas Scheuer (CSU) derzeit keine konkreten Pläne vor, eine solche deutschlandweit zu erlassen. Die aktuelle Gesetzgebung besagt jedoch, dass:

Ein Abbiegeassistent für LKW ist per Gesetz zunächst nur für jene mit Überlänge vorgesehen.
Ein Abbiegeassistent für LKW ist per Gesetz zunächst nur für jene mit Überlänge vorgesehen.
  • ab 1. Juli 2020 alle neu zugelassenen Lang-LKW mit einem Abbiegeassistenten sowie blinkenden Seitenmarkierungen ausgestattet sein müssen und
  • ab 1. Juli 2022 auch alle Bestands-Lang-LKW diese technischen Einrichtungen aufzuweisen haben.

Da die Vorgaben allerdings nur für Lang-LKW gelten, sind etliche Lastkraftwagen nicht von der Einbaupflicht betroffen. Denn Lang-LKW:

  • weisen eine Überlänge nach Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) auf
  • und dürfen daher nur auf ausgewählten Strecken in Deutschland fahren.

Diese Strecken sind in einer „Positivliste“ aufgeführt. Jedes Bundesland weist hier explizit die Straßenabschnitte aus, auf denen die Lang-LKW gestattet sind. Ein Abbiegeassistent findet sich zunächst also vor allem auf solchen Strecken und eher weniger im täglichen Berufsverkehr.

Für die Zukunft wäre laut Verkehrsministerium nur eine Regelung auf EU-Ebene denkbar. Scheuer plant dahingehend einen Vorstoß bei der EU-Ratspräsidentschaft, damit der Abbiegeassistent schneller zur Pflicht wird. Der Neuregelung müssen die EU-Mitgliedsstaaten allerdings mehrheitlich zustimmen. Deutschland hat den Vorsitz im Rat in der zweiten Jahreshälfte 2020 inne.

Abbiegeassistent nachrüsten: Eine Förderung soll den freiwilligen Einbau attraktiver machen

Abbiegeassistent freiwillig nachrüsten: Für viele LKW ist eine Förderung möglich.
Abbiegeassistent freiwillig nachrüsten: Für viele LKW ist eine Förderung möglich.

Auch wenn der Abbiegeassistent flächendeckend für LKW noch keine Pflicht ist, gibt es von Seiten des Bundesverkehrsministeriums seit Sommer 2018 die Möglichkeit, eine Förderung für den nachträglichen Einbau zu erhalten. Im Rahmen der „Aktion Abbiegeassistent“ hat das Ministerium 2019 zunächst 5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um die freiwillige Nachrüstung attraktiv zu machen.

Die Mittel waren allerdings nach fünf Tagen auf genehmigte Anträge vollends verteilt, weshalb das Budget um weitere 5 Millionen Euro aufgestockt wurde. 2020 soll es weitere 10 Millionen Euro Fördermittel aus dem Bundeshaushalt geben. Das Programm soll in den nächsten Jahren fortgeführt werden

Nutzfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen oder Busse, die mit mehr als neun Sitzplätzen ausgestattet sind, können eine Förderung erhalten. Dafür müssen sie wenigstens einen der folgenden Punkte erfüllen. Die Fahrzeuge werden im Inland für:

  • gewerbliche
  • freiberufliche
  • gemeinnützige oder
  • öffentlich-rechtliche

Zwecke angeschafft und genutzt. Ein elektronischer Abbiegeassistent kann mit bis zu 80 Prozent der unterstützungsfähigen Summe, jedoch zu höchstens 1.500 Euro gefördert werden.

Ein nachträglich eingebauter Abbiegeassistent für LKW ist mit Kosten zwischen etwa 700 bis 1900 Euro verbunden.

Ziel der Aktion ist laut BMVI:

die freiwillige Selbstverpflichtung von Unternehmen, Kommunen und Organisationen, ihre Fuhrparks auf eigene Kosten so schnell wie möglich mit sogenannten Abbiegeassistenten auszurüsten bzw. Neufahrzeuge ausschließlich mit Abbiegeassistenten anzuschaffen; und dies vor dem verbindlichen Einführungsdatum auf EU-Ebene (Juli 2022 für neue Fahrzeugtypen und Juli 2024 für neue Fahrzeuge)

Abbiegeassistent nachrüsten im PKW – Zukunftsmusik oder bereits Realität?

Nicht nur einlenkende LKW können Fußgängern und Radfahrern gefährlich werden. Auch der Zusammenstoß mit einem Auto kann schnell böse ausgehen. Ein Rechts-Abbiegeassistent wäre daher auch für PKW sinnvoll. Es arbeiten bereits einige Hersteller daran, die Technik für Autos anwendbar zu machen. Ein Automobilhersteller hat ein System vorgestellt, das nach eigener Aussage schon serienreif ist. Der Abbiegeassistent ist mit dem Bremssystem des Autos verbunden und hält das Fahrzeug an, wenn dies nötig wird. Wann der Assistent fürs Auto auf den Markt kommt, ist noch unklar.

Über den Autor

Dr. Philipp Hammerich (Rechtsanwalt)
Dr. Philipp Hammerich

Dr. Philipp Hammerich studierte an der Universtät Hamburg und absolvierte sein Referendariat am OLG Hamburg. Er promovierte beim damaligen Richter am BVerfG, Prof. Dr. Hoffmann-Riem. Zugelassen als Rechtsanwalt ist er seit 2007. Seine thematischen Schwerpunkte liegen u. a. in den Bereichen Straf-, Zivilrecht.

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