Urteil: Busfahrer an Haltestelle muss beweisen, dass er geblinkt hat

Ein Bus, der von einer Haltestelle losfährt, hat Vorfahrt. Doch was ist, wenn es dabei trotzdem zu einer Kollision kommt? Haftet immer automatisch der andere Fahrzeugführer? Nicht unbedingt, wie das Oberlandesgericht (OLG) Celle am 10. November 2021 entschied: Laut dessen Urteil müssen Busfahrer an der Haltestelle blinken, wenn sie losfahren wollen – und im Streitfall auch beweisen, dass sie dies getan haben. Sonst tragen sie die Schuld.

Verden: Abfahrender Bus kollidiert mit Pkw

Urteil: Wenn ein Busfahrer an der Haltestelle geblinkt hat, muss er das im Streitfall auch beweisen können.
Urteil: Wenn ein Busfahrer an der Haltestelle geblinkt hat, muss er das im Streitfall auch beweisen können.

In dem betreffenden Fall ging es um einen Vorfall von November 2019, der sich in Verden ereignete. Ein Bus stand an einer Haltestelle und ein Pkw-Fahrer wollte an diesem vorbeifahren. Letzterer fuhr dabei mit mäßiger Geschwindigkeit und hielt sich somit an die gesetzlichen Vorschriften zum Überholen von haltenden Bussen. Trotzdem kam es zu einem Zusammenstoß beider Fahrzeuge, als der Bus von der Haltestelle abfuhr. Dabei entstand ein Schaden von etwa 10.000 Euro.

Zwar legt § 20 Abs. 5 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) fest, dass ein Bus beim Abfahren von einer Haltestelle stets Vorfahrt hat, doch natürlich ist der Busfahrer trotzdem verpflichtet, eine Gefährdung auszuschließen. Das bedeutet vor allem, dass er den Fahrtrichtungsanzeiger rechtzeitig setzen muss. Nur so können andere Verkehrsteilnehmer erkennen, dass der Bus im Begriff ist loszufahren.

OLG Celle entscheidet: Busfahrer trägt Beweislast

Bei dem Unfall in Verden kam es zu widersprüchlichen Aussagen: Der Busfahrer beteuerte, er habe den Blinker benutzt; der Pkw-Fahrer behauptete das Gegenteil. Wer muss nun beweisen, dass er Recht hat?

Das OLG Celle entschied diesbezüglich folgendermaßen:

Das Vorrecht gem. § 20 Abs. 5 StVO besteht nur unter den Voraussetzungen einer rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Anzeige gegenüber dem ansonsten fortbestehenden Vorrang des fließenden Verkehrs. Die Beweislast für die Inanspruchnahme eines Vorrechts der Straßenverkehrsordnung trägt derjenige, der sich auf es beruft.

(OLG Celle, Urteil vom 10.11.2021 – 14 U 96/21)

Laut diesem Urteil muss ein Busfahrer an der Haltestelle beim Abfahren also nicht nur blinken, sondern im Zweifelsfall auch beweisen, dass er dies wirklich getan hat. Da der Busfahrer aus Verden das nicht konnte, wurde ihm die Hauptschuld an dem Unfall zugesprochen, sodass er einen Großteil des Schadens übernehmen muss.

Das OLG Celle vertritt mit diesem Urteil eine andere Ansicht, als beispielsweise das Kammergericht Berlin. Dieses hatte in ähnlichen Fällen entschieden, dass der Pkw-Fahrer die Beweislast trüge, nicht der Busfahrer. Die Entscheidung aus Celle wurde zur Revision durch den Bundesgerichtshof zugelassen. Es besteht die Möglichkeit, dass in dieser Frage also bald eine höchstrichterliche Klarstellung erfolgt.

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Über den Autor

Dr. Philipp Hammerich (Rechtsanwalt)
Dr. Philipp Hammerich

Dr. Philipp Hammerich studierte an der Universtät Hamburg und absolvierte sein Referendariat am OLG Hamburg. Er promovierte beim damaligen Richter am BVerfG, Prof. Dr. Hoffmann-Riem. Zugelassen als Rechtsanwalt ist er seit 2007. Seine thematischen Schwerpunkte liegen u. a. in den Bereichen Straf-, Zivilrecht.

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